Honda CR 750 Daytona


Honda Amerika entschied sich dazu, das traditionelle und prestigeträchtige Daytona 200-Meilen-Rennen am 15. März 1970 mit einer CB750-Rennversion zu bestreiten.
Sie traten mit drei zu diesem Zeitpunkt auf dem Markt erhältlichen, getunten «Racing Service Club» Maschinen an.
Der Daytona-Altmeister Dick Mann errang mit einem Durchschnitt von 164km/h einen neuen Rekord, acht Sekunden vor den zweit- und drittplazierten Triumphs.
Dieser Erfolg war Ursprung für den überragenden Erfolg der HONDA CB 750 four und bedeutete praktisch das Aus für die britische Motorrad-Industrie.

Vom Schrott zum Hingucker   (Die Entstehung einer CR 750 Daytona)

Die Idee zum Aufbau einer weiteren CR 750 entstand anlässlich der Bikers Classics 2016 in Spa-Francorchamps.

Seit 2013 nehme ich zusammen mit meinem Freund und Mechaniker Bruno Badertscher alljährlich an dieser Veranstaltung in Belgien teil und inzwischen ist das unser jeweiliges Saion-Highlight. Nachdem Bruno 2014 nach 45 Jahren als Inhaber einer Honda-Markenvertretung in Heimberg (in der Nähe von Bern) in den Ruhestand gegangen ist, schätze ich seine Fachkenntnisse und seine Unterstützung als mein persönlicher Mechaniker und «Renningenieur» natürlich ausserordentlich. So beschlossen wir gemeinsam, dass ich für die Bikers Classics 2017 eine zweite Honda CR 750 aufbauen wolle und Bruno damit vom Mechaniker zum Rennfahrer befördern werde…

Mein Ziel sollte sein, die Maschine anlässlich des 70. Geburtstages von Bruno im April 2017 übergeben zu können und so die Vorfreude auf Spa noch zu steigern.

Gesagt, getan !

Sofort wurde nach einem entsprechenden Objekt gesucht und Ausschau gehalten, was bei uns in der Schweiz bei den üblichen horrenden Preisen auf dem Markt gar nicht so einfach war. Bei einem Bekannten konnte ich eine aus Fragmenten bestehende und total verbastelte K1 zu einem vernünftigen Preis von CHF 800.- erstehen.
Geplant war eigentlich, aus bestehendem aber kompletten Fahrgestell mit einigermassen intaktem Motor eine fast originalgetreue CR 750 Daytona aufzubauen.


«Aber ersten kommt es anders und zweitens als man denkt…»

Kaum standen die knapp 200 kg Alteisen in der Werkstatt, wuchs die Ernüchterung praktisch mit jedem Blick auf das erstandene Objekt.

Die Bestandsaufnahme nach Sichtung ergab das traurige Fazit:

Ausser dem vernickelten Rahmen und der Hinterradschwinge ist nichts zu gebrauchen!

So musste ich feststellen, dass

  1. Der gesamte Vorbau (Gabelbrücken, Gabel, Bremsen und Vorderrad) stammt von einer Yamaha TX 750 
  2. Zündungsplatte und Zündspulen fehlen
  3. Vergaser fehlen
  4. Hinterrad ist nicht original
  5. Motor dreht nicht
  6. Zylinderbank und -kopf sind mit Bohrungen versehen 
  7. Motorgehäuse beim Oeldruckschalter und beim Zündungsgehäuse mit Kaltmetall unfachmännisch repariert.
  8. Gesamte Elektrik und Verkabelung fehlt

Dieser Schock nach der Sichtung musste bei einem Bier erst einmal verdaut werden. Der Gedanke kam auf, das Projekt wieder zu vergessen, die Investition als «Lehrgeld» abzubuchen und den Schrott zu entsorgen. Ich konnte mich jedoch durchringen, den Entscheid bis nach der kompletten Zerlegung und dem Öffnen des Motors zu vertagen…

2 Wochen später war die Motivation noch nicht wieder gestiegen, denn der Blick auf den zerlegten Motor versprach auch nicht viel Gutes.
Das Getriebe ist zwar einwandfrei, aber ein Vorbesitzer hat die Maschine offensichtlich mit zu niedrigem Oelstand bewegt und so ist der Motor festgegangen. Kurbelwelle, Pleuel, Kolben und Zylinderbank sind unbrauchbar. Motorgehäuse wie schon gesehen undicht und damit auch unbrauchbar.

Kommt Zeit, kommt Rat !

Nach einigen schlaflose Nächten und einem aufbauenden Gespräch mit Bruno hat mich der Ehrgeiz gepackt! Das Projekt wird trotz allen Widrigkeiten weitergeführt, das vorgesehene Budget auch ohne Einwilligung meiner Frau verdoppelt und das angestrebte Ziel weiterver-folgt !

Packen wir’s an !

Auf Grund meiner Erfahrung mit dem Aufbau der CR von 2011 bis 2013 habe ich schnell eine Liste der benötigten Teile und deren Lieferanten erstellt. Ueber Motorenteile, Fahrwerkskomponenten und spezielle CR-Teile ist in Europa und auch Uebersee dank Internet alles zu bekommen, was für einen originalgetreuen Aufbau einer CR 750 Daytona benötigt wird. Bruno hat ausserdem zugesagt, den Neuaufbau des Motors nach Eingang der benötigten Neuteile zu erledigen.
Also werden in nächtelanger Computerarbeit die gesuchten Zubehörteile geordert und das Projekt vorbereitet.

Der Rahmen

Nach der Zerlegung in sämtliche Einzelteile wird zuerst die Bearbeitung des Rahmens in Angriff genommen. Rahmen zuerst entnickeln und dann arbeiten Flex und Dremel auf Hochtouren, denn alle nicht benötigten Befestigungslaschen und -teile müssen weg.
Danach werden die Aufnahmen für Benzintank, Oeltank, Oelkühler, Fussrasten, Verkleidung und Auspuffanlage angeschweisst.
Der fertige Rahmen wird zum Schluss entsprechend dem Original schwarz pulverbeschichtet und dann selbstverständlich mit neuen Lenkkopf- und Schwingenlagern versehen.

Der Motor

Vom bestehenden Motor können lediglich einige Getriebekomponenten weiter verwendet werden.
Motorgehäuse, Kurbelwelle und Zylinderbank werden durch Gebrauchtteile aus dem Fundus eines Kumpels von einer K2 ersetzt, der Zylinderkopf stammt wegen den grösseren Ventiltellern von einer F1. Um die höheren Drehzahlen zu bewältigen und auf der Rennstrecke zu bestehen, werden härtere Ventilfedern eingebaut und natürlich die Ventile neu eingeschliffen.
Kurbelwellenlager, Pleuel und Pleuellager, Kolben im Uebermass 2 (+0.5), der Primärantrieb und die Kupplung mit verstärkten Federn sind Neuteile, das bestehende intakte Getriebe wird lediglich durch eine neue Schaltwelle aufgewertet. Die Nockenwelle wird durch eine Stage 2 von Webcam ersetzt und mit neuer Steuerkette versehen. Die Oelpumpe wird komplett revidiert und alle Verschleissteile ersetzt. Die originale «übergewichtige» Lichtmaschine wird durch eine leichte Racing-Lima ersetzt und mit dem entsprechenden originalen Honda-Racing-Deckel verschlossen.
So wird der Motor zuerst ohne Innereien zusammengebaut, sämtliche Oeffnungen ver-schlossen und dann Glasperlgestrahlt.
Nach der erneuten Zerlegung und gründlicher Reinigung der Oelkanäle wird der jetzt neuwertige Motor durch Bruno neu aufgebaut und einbaubereit gestellt.
Anlasser, Anlasserfreilauf und Kickstarterwelle werden dabei nicht eingebaut, da sie für den Einsatz auf der Rennstrecke nicht nötig sind und so Gewicht eingespart werden kann.

Anbauteile

Die Beschaffung der benötigten Anbauteile nimmt einige Zeit für die umfangreiche Sucherei möglicher Lieferanten in Anspruch. So müssen diverse Komponenten CR-spezifisch be-schafft und die am Basismoped fehlenden Originalteile zusammengesucht werden. Einige Komponenten werden auch selbst hergestellt.
Benzin- und Oeltank aus Aluminium sowie die Sitzbank stammen aus England und müssen zusammen mit der Verkleidung zuerst durch meinen Maler in den Daytonafarben lackiert werden. Hier bestehen bei den CR-Daytona-Enthusiasten bereits einige Meinungsverschiedenheiten über die Farbgebung. Von Rot über Kupfer und Orange oder Violett werden viele Farbnuancen angeboten. Abklärungen über Honda Japan haben schliesslich den verbindli-chen originalen Farbton für die Daytona ergeben (der Farbton wurde übrigens auch für andere Serienmotorräder von Honda verwendet…). Der Oeltank wurde aus optischen Gründen nicht dem original entsprechend lackiert sondern hochglanzpoliert.
Die Auspuffanlage (ebenfalls aus England) wurde in Einzelteilen geliefert. Mit Hilfe eines Rahmens, einem Motorgehäuse und einer selbst gebauten Schablone müssen die einzelnen Teile angepasst und verschweisst werden. Halterungen sind anzufertigen und zu befestigen.
Um entsprechende Reifendimensionen montieren zu können, werden die Räder mit Borrani-Hochschulterfelgen in den Dimensionen 2.5x19“ vorne und 3.00x18“ hinten auf die aus optischen Gründen schwarz beschichteten Originalnaben neu eingespeicht und Metzeler Sportec Klassik aufgezogen (100/90x19 vorne und 120/90x18 hinten)

Der Aufbau

Nachdem auch viele bestehende Originalteile in der eigenen Glasperl-Anlage gereinigt und aufbereitet wurden liegen nun fast alle benötigten Teile bereit. Der Aufbau kann beginnen.
Der Rahmen wird auf der Hebebühne platziert und Oeltank, Vorderrad und Schwinge werden eingebaut.
Nach dem Hinterradeinbau erfolgt die Verheiratung: Das Herzstück wird montiert.
Es folgen die neue Vergaserbatterie (für die Rennstrecke der Keihin CR 31) sowie der Oelkühler mit den passenden Schläuchen.
Die wichtigsten Komponenten sind nun zusammengebaut und Lenkerstummel und Fussrasten werden angebaut. Jetzt beginnt die grosse Arbeit, denn noch fehlen alle Bedienelemente, sämtliche Züge und Schläuche sowie die gesamte Elektrik. Armaturenbrett und Verschalung erfordern spezielle Halterungen und das alles muss zuerst hergestellt werden und hat neben einer einwandfreien Funktion auch optischen Ansprüchen zu genügen. Mehr als einmal wird ein gefertigtes und eingebautes Teil wieder demontiert, abgeändert oder neu gefertigt um dann wieder angebaut zu werden. In solchen Details kann und will ich mich nicht mit dem erstbesten zufrieden geben…

Nach rund 450 Stunden schweissen, anpassen, glasperlen und schrauben ist es geschafft. Die fertige Maschine kann im Mai 2017 an der Klassikwelt Bodensee in Friedrichshafen auf dem Stand des 1. CB-Four-Club Deutschland dem interessierten Publikum präsentiert werden.


Bilder von Totalrevision und Neuaufbau
(2016 - 2017)
Details der rennbereiten Replica...